Die nächsten vier Regeln des Schreibens von Elmore Leonard beschäftigen sich mit der Sprache im weitesten Sinne, insbesondere mit der Qualifizierung wörtlicher Rede. Soviel schon einmal vorab: Leonard ist Amerikaner und schreibt daher auf Englisch. Diese Regeln ins Deutsche zu übertragen, verlangt also zumindest ein gewisses Maß an kritischer Distanz. Das zeigt sich auch schon bei der ersten der heute diskutierten Regeln:

Verwende beim Schreiben von Dialogen nie ein anderes Verb als „sagen“.

Warum eigentlich?

Blickt man auf englischsprachige Texte, dann fällt auf, dass das Wort „said“ sehr viel häufiger zur Qualifizierung der wörtlichen Rede verwendet wird als bei uns. Andere Wörter wie „whispered“, „screamed“ oder sogar ein harmloses „asked“ fühlen sich daher oft steif oder prätentiös an.

Im Deutschen haben wir diese Stilsitte nicht. Unsere Sprache stellt hingegen eine Fülle von häufig verwendeten Vokabeln zum Beschreiben des Sprechakts bereit.

Da wären allein die Wörter, die die Lautstärke näher beschreiben: wispern, flüstern, sagen, rufen, schreien, brüllen usw.

Oder jene, die die Intention eines Dialogsatzes benennen: erläutern, erklären, fragen, befehlen, kommandieren, hinweisen, betonen etc.

Dann solche, die mehr oder minder metaphorisch die Sprechweise umschreiben: murmeln, nuscheln, salbadern, bühnenflüstern, predigen, verkünden, zischen, bellen, schwadronieren, krächzen, stottern, sprudeln, faseln, verlautbaren usw. usf.

Zuletzt solche, die mit dem Sprechen ein Handeln verknüpfen: unterbrechen, ins Wort fallen, in die Parade fahren etc.

Übung: Wer möchte, kann diese Liste in den Kommentaren oder per Mail an mich (helmut@helmut-barz.info) gerne ergänzen.

Es ist schwer einzusehen, warum man sich in seinem Instrumentarium beschneiden sollte. Allerdings muss man darauf achten, dass wörtliche Rede und ihre Qualifizierung zusammenpassen.

„Ich muss mal aufs Klo“, predigte er.

Das funktioniert allenfalls ironisch.

Und einen Satz wie „Anna fing Hamburger“ kann man nur sehr schwer zischen.

Übung: Wenn du einen Dialogsatz mit einem anderen Wort als „sagen“ qualifiziert hast, dann probiere, ihn auch so zu sprechen. Misslingt es, ist das Wort vermutlich falsch.

Im Deutschen wird die Regel, nur „sagte“ zu verwenden, übrigens gerne als in Stein gemeißeltes Gebot verkündet. Das Ergebnis sind elend langweilige, repetitive Texte, in denen sich das Wort „sagte“ auf jeder Seite im Bäckerdutzend findet. So umgesetzt, ignoriert die Regel nämlich Leonards eigentliche Intention:

Wie er in seinem Artikel in der New York Times erläutert, geht es ihm vor allem darum, dass Dialogsätze für sich stehen. So wenig wie möglich solle von ihnen ablenken. Und wenn man denn schon klarstellen muss, wer gerade spricht, sollte man dies so knapp und neutral wie möglich tun und auf die Fantasie des Lesers vertrauen.

Leonard schreibt brillante Dialoge – nicht umsonst sind seine Romane begehrte Stoffe für Verfilmungen. Und er ist ein Meister darin, klarzumachen, wer gerade spricht.

Doch für uns mittelmäßig talentiertes Fußvolk ist es ein weiter Weg bis zu solcher Meisterschaft. Und bis dahin müssen wir uns eben behelfen. Allerdings sollte man sich nicht nur fragen, ob man denn das richtige Wort zur Qualifizierung erwischt hat, sondern ob diese Qualifizierung überhaupt nötig ist.

Ist vielleicht aus dem Kontext ohnehin klar, wer spricht und wie?

A und B sitzen an einer Bar.

„Wie geht es dir?“, fragt A.

„So lala“, antwortet B.

Der geübte Leser und Autor erkennt natürlich, dass „antwortet B“ überflüssig und daher ein Streichkandidat ist.

Wenn aber nicht sofort klar ist, wer spricht und warum, sollte man sich zumindest fragen, ob es nicht elegantere Methoden gibt, zu zeigen, wer spricht.

„Klappe halten! Geld her!“, befahl er, während er seine Waffe auf den Kopf der Kassiererin richtete.

Dieser Satz kommt bei aller intendierten Dynamik doch recht behäbig daher.

„Klappe halten! Geld her!“ Er presste die Mündung seiner Pistole gegen die Stirn der Kassiererin.

Das hat schon etwas mehr Dynamik.

„Klappe halten! Geld her!“ Kalter Stahl an ihrer Stirn.

Das könnte, die richtige Situation vorausgesetzt, gleichfalls eine Lösung sein.

Deswegen würde ich diese Regel so umformulieren:

Überprüfe genau, ob du wörtliche Rede wirklich qualifizieren musst, und wenn, dann wähle ein passendes Wort für den jeweiligen Sprechakt, ohne dabei den Fluss des Textes allzu sehr aufzuhalten.

Modifiziere „sagte“ nie mit einem Adverb.

Ach ja, der mit Vehemenz geführte Kampf gegen Adjektive und Adverbien. „Der Weg zur Hölle ist mit Adverbien gepflastert“, sagt selbst Stephen King.

Doch trifft das im Deutschen tatsächlich auch zu? Viele von uns haben in der Schule gelernt: Adjektivischer oder adverbialer Stil = schlecht; verbaler Stil = gut. Da ist auch sicher was Wahres dran. Doch wie immer, wenn eine allgemeine Leitregel zum Dogma wird, schlägt das zurück.

Natürlich sollte man bei jedem Adverb oder Adjektiv genau prüfen, ob man es wirklich braucht – wie überhaupt bei jedem Wort. So auch bei der Qualifizierung wörtlicher Rede. Aber:

 „Es tut mir leid“, sagte er leise.

Ist dennoch etwas anderes als:

„Es tut mir leid“, flüsterte er.

Auch hier sollte statt auf Dogmen lieber auf das eigene Sprachgefühl vertrauen. Sollte sich ein Adverb als unpassend herausstellen oder sich die ganze Phrase durch ein besseres Wort ersetzen lassen, findet man das sicher noch bei der Überarbeitung heraus. Oder der Lektor klopft einem auf die Finger.

Verwende Ausrufezeichen sparsam.

Dieser Regel kann ich aus vollem Herzen zustimmen. Es gibt tatsächlich eine Inflation der Ausrufezeichen. Und gerade, wenn man wie ich aus der Werbung stammt, rutschen die Finger schnell zur Shift-Taste und zur „1“. Und warum? Um! Unseren! Worten! Nachdruck! Zu! Verleihen!

Sparsamkeit ist ein guter Ansatz. Doch noch viel wichtiger wäre, Ausrufezeichen richtig zu verwenden. Wie alle anderen Satzzeichen hat nämlich auch diese Interpunktion eine klare Funktion.

In der wörtlichen Rede steht das Ausrufezeichen hinter Befehlen …

„Fass!“

… Ausrufen …

„Aua!“

… und Sätzen mit Ausrufcharakter:

„Ihr verdammter Scheiß-Köter hat mich ins Bein gebissen!“

Jenseits der wörtlichen Rede hat das Ausrufezeichen nur selten eine Berechtigung in einem Prosatext.

In einem erzählenden Text findet es sinnvollerweise eigentlich nur dann Verwendung, wenn wir uns in einem inneren Monolog befinden und uns auch dort mit Befehlen oder Ausrufen auseinandersetzen müssen.

Ansonsten gilt: Wenn man meint, eine Aussage mit einem Ausrufezeichen betonen zu müssen, sollte man diese Aussage überprüfen. Das zumindest sollte man den zahlreichen Internet-Ereiferern, die mit ihren verbalen Ergüssen die Foren zuschimpfen, ins Stammbuch schreiben. Und schon gar nicht sollte man Ausrufezeichen aneinanderreihen. Das geht wirklich nur im Comic.

Schreibe niemals „plötzlich“ oder „Die Hölle bricht aus“.

Onomatopoetisch macht dieser Sprachregel in der englischen Sprache deutlich mehr Sinn als im Deutschen. „Suddenly“ fehlt einfach das Explosiv-Rotzige des Wortes „plötzlich“.

Allerdings sollte man auch im Deutschen mit diesem Wort vorsichtig sein, besonders, wenn es einen überraschenden Wendepunkt markieren soll. In Boxkampf-Sprache ausgedrückt: Dieses Wort telegrafiert den folgenden Punch, sodass sich der Leser rechtzeitig weggucken kann.

„Ich bin mit den Ergebnissen unseres Gespräches absolut nicht zufrieden.“

Plötzlich richtete er eine Pistole auf Sylvia.

Das hat weniger Dynamik als:

„Ich bin mit den Ergebnissen unseres Gespräches absolut nicht zufrieden.“

Eine Pistole? Wo hatte er denn die Pistole hier?

Wo man das Wort also vermeiden kann, sollte man es tun. Allerdings sollte man darauf achten, es dann mit der Dramatik der Ersatzformulierung nicht allzu sehr zu übertreiben.

Plötzlich hatte Katharina eine Idee.

Sollte man vielleicht nicht unbedingt ersetzen durch:

 Eine Idee! Ein Geistesblitz! Na endlich! Katharina wollte vor Freude in die Luft springen.

Hier kann man das „plötzlich“ gerne stehen lassen.

„All hell broke lose“ ist im Englischen genauso ein Klischee, wie „Die Hölle bricht aus“ im Deutschen. Entsprechend ist der zweite Teil dieser Regel durchaus berechtigt. Eine gute Faustregel zum Vermeiden von Klischees:

Wenn ich in eine Redewendung das Wort „sprichwörtlich“ einschieben kann, ohne die Aussage zu verändern, handelt es sich dabei vermutlich um ein Klischee und man sollte nach einer originelleren Formulierung Ausschau halten.